In Hessen ist die Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten zunehmend gefährdet. Der Apothekerverband des Landes schlägt Alarm: Viele Arzneimittel sind nicht oder nur schwer zu bekommen. Vor allem Standardantibiotika, Schmerzmittel, aber auch Blutdrucksenker sowie Medikamente für chronisch Kranke sind betroffen. Es gibt viele Ursachen – angefangen bei globalen Lieferkettenproblemen über Produktionsausfälle in Asien bis hin zu strukturellen Schwächen im deutschen Gesundheitssystem. Nicht nur die Patienten sind betroffen; auch die Apotheken spüren die Auswirkungen und versuchen mit großem Aufwand, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Holger Seyfarth, der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands, bezeichnet es als eine "Bankrotterklärung", wenn Patienten ihr notwendiges Medikament nicht bekommen. Mehr als 500 Arzneimittel sind laut offiziellen Berichten schwer verfügbar, und in einigen Fällen besteht ein regelrechter Versorgungsmangel.
In der beginnenden Grippesaison 2025 und angesichts der nach wie vor angespannten Situation im Gesundheitswesen ist dieses Thema besonders aktuell. Nicht nur seltene Spezialpräparate sind betroffen; immer häufiger sind auch alltägliche Medikamente, die für große Patientengruppen wichtig sind, von Engpässen betroffen. In Hessen müssen Apothekerinnen und Apotheker täglich improvisieren, alternative Präparate finden oder Patienten an Ärzte zurückverweisen. Das verursacht zusätzlichen Aufwand, belastet das Gesundheitssystem, das bereits unter Druck steht, weiter und führt bei den Betroffenen zu Unsicherheit. Für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder ADHS sind die Engpässe besonders gravierend, da sie auf eine kontinuierliche Versorgung angewiesen sind.
Die Gründe für die Schwierigkeiten mit der Lieferung sind vielschichtig: Einerseits ist Deutschland zunehmend abhängig von außereuropäischen Standorten, insbesondere von Arzneimittelproduktionsstätten in China und Indien. Sollten dort Produktionsausfälle oder Qualitätsmängel auftreten, sind die Apotheken und Patienten hierzulande sofort betroffen. Auf der anderen Seite bewirken Einsparungen und Rabattverträge im Gesundheitswesen, dass die Lagerhaltung minimiert und Puffer nahezu eliminiert werden. Aus diesem Grund verlangt die hessische Apothekerschaft grundlegende Reformen: das Ende des Preisdiktats bei Rabattverträgen, mehr Flexibilität und Befugnisse für Apotheken sowie eine Stärkung der heimischen Produktion.
Die politischen Entscheidungsträger und die Gesellschaft sollten die Warnungen des Apothekerverbands ernst nehmen; sie sind ein Weckruf. Ohne ein entschlossenes Handeln ist es möglich, dass sich die Engpässe weiter verschärfen – was gravierende Folgen für die Patientenversorgung in Hessen und darüber hinaus haben könnte. Die acht Abschnitte, die folgen, betrachten die Hintergründe, die Auswirkungen, die politischen Reaktionen und mögliche Lösungsansätze zur Bewältigung der Medikamentenknappheit.
Die aktuelle Lage: Medikamentenengpässe in Hessen 2025
Im Jahr 2025 ist die Arzneimittelversorgung in Hessen so angespannt wie selten. Über 500 Medikamente gelten laut den neuesten Informationen des Hessischen Apothekerverbands als schwer verfügbar. Die Liste der betroffenen Präparate umfasst nahezu alle Bereiche der Medizin: Gängige Antibiotika, die für die Behandlung bakterieller Infektionen unerlässlich sind, fehlen ebenso wie Schmerz- und Fiebermittel, Blutdrucksenker, Cholesterinsenker und Insulin für Diabetiker. Selbst spezielle Arzneimittel zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Medikamente für chronisch Kranke sind betroffen.
Engpässe sind mittlerweile nicht mehr nur vereinzelt, sondern betreffen fast alle Indikationsgruppen. "Man kann zugespitzt sagen, dass aus jeder Indikationsgruppe immer irgendwo ein Medikament fehlt", so Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands. Die Folgen sind ernst: Oft müssen Patienten längere Wartezeiten hinnehmen, Apotheken verbringen viel Zeit damit, alternative Bezugsquellen zu recherchieren, und Ärzte müssen neue Rezepte ausstellen oder andere Wirkstoffe verschreiben.
Die Gründe für die Knappheit sind dabei komplex. Lieferengpässe entstehen oft durch Produktionsausfälle in den Ursprungsländern der Arzneimittel, Transportverzögerungen oder durch eine erhöhte Nachfrage, wie während Grippewellen oder in Pandemiezeiten. Außerdem haben gesetzliche Sparmaßnahmen die Vorratshaltung in Apotheken und bei Großhändlern stark reduziert. Die früheren Lagerpuffer sind fast gänzlich verschwunden, weshalb schon kleine Störungen in der Lieferkette sofort zu Versorgungsproblemen führen können.
Für Patientengruppen, die auf eine kontinuierliche, unterbrechungsfreie Medikation angewiesen sind, ist die Situation besonders problematisch. Chronisch Kranke, Senioren und Kinder sind besonders betroffen von den Engpässen, weil sie auf bestimmte, oft nicht leicht ersetzbare Medikamente angewiesen sind. Dies führt immer häufiger dazu, dass Apotheken Patienten vertrösten oder sie an Ärzte zurückverweisen müssen.
Die Situation hier spiegelt die bundesweite Lage wider, doch in Hessen ist die Problematik aufgrund der Bevölkerungsdichte und der vielen medizinischen Einrichtungen besonders ausgeprägt. Die Apotheker warnen, dass die Gefährdung der Versorgungssicherheit ohne schnelle und grundlegende Gegenmaßnahmen weiter zunehmen könnte und sich die Situation noch verschlimmen könnte.
Ursachenforschung: Globale Lieferketten und Abhängigkeit von Asien
Die Gründe für die immer wiederkehrenden Medikamentenengpässe sind vielschichtig und betreffen weit mehr als nur das Gebiet von Hessen. Ein wichtiger Punkt ist die weltweite Struktur der Arzneimittelproduktion. Während Deutschland bis vor einigen Jahrzehnten als "Apotheke der Welt" galt, sind in den letzten Jahren immer mehr Produktionsstätten für Wirkstoffe und Medikamente ins Ausland, vor allem nach China und Indien, verlagert worden.
Anfänglich waren die wirtschaftlichen Vorteile dieser Entwicklung zu erkennen: Die Produktion in Asien ist erheblich günstiger, was sowohl den Herstellern als auch dem Gesundheitssystem durch niedrigere Preise zugute kommt. Aber die negativen Aspekte treten immer mehr zutage. Wegen der Abhängigkeit von einigen wenigen, weit entfernten Produktionsstandorten ist das europäische und somit auch das hessische Gesundheitssystem extrem anfällig für Störungen. Sollten in einer der asiatischen Fabriken Produktionsausfälle auftreten – sei es durch Qualitätsprobleme, Naturkatastrophen, politische Spannungen oder Pandemien – so sind die Folgen weltweit zu spüren.
Ein beeindruckendes Beispiel dafür war die COVID-19-Pandemie, die die Empfindlichkeit der Lieferketten für Arzneimittel deutlich gemacht hat. Selbst ohne solche globalen Krisen sind die Auswirkungen immer mehr zu erkennen. China und Indien haben in den letzten Jahren immer wieder mit Qualitätsproblemen, behördlichen Stilllegungen von Produktionsanlagen oder Lieferschwierigkeiten aufgrund von Rohstoffknappheit zu kämpfen gehabt. Wegen der geringen Anzahl an Herstellern für viele Wirkstoffe weltweit sind solche Ausfälle kaum zu kompensieren.
Ein weiteres Problem ist die "Single Sourcing"-Strategie vieler Hersteller: Oft wird, um Kosten zu sparen, nur ein Produzent für einen bestimmten Wirkstoff ausgewählt. Wenn dieser ausfällt, gibt es keinen kurzfristigen Ersatz. Das Ergebnis: Engpässe, die das gesamte System betreffen.
Transportwege stellen ebenfalls einen entscheidenden Faktor dar. Alles, was den internationalen Warenverkehr verzögert – sei es durch Streiks, Hafenschließungen oder logistische Engpässe – hat direkte Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Medikamenten in Hessen. Die Minimierung der Lagerhaltung in Europa aus Kostengründen hat zur Folge, dass es an Puffern mangelt, die kurzfristige Versorgungsprobleme überbrücken könnten.
Aus diesem Grund fordert der Apothekerverband, dass wir wichtige Produktionsschritte nach Europa zurückverlagern sollten, um die Versorgungssicherheit zu verbessern. Aber um dieses Ziel zu erreichen, braucht es langfristige Investitionen und politische Anstrengungen. Bis auf Weiteres ist das hessische Gesundheitssystem auf die globalen Lieferketten angewiesen, die störanfällig sind – und das bringt alle damit verbundenen Risiken mit sich.
Auswirkungen auf Patienten und Apothekenalltag
In Hessen sind die Medikamentenengpässe direkte und spürbare Probleme für Patienten und das Apothekenpersonal. Die Abwesenheit eines Medikaments stellt für viele Menschen eine große Belastung dar. Chronisch Kranke, ältere Menschen, Kinder und Eltern sind besonders betroffen. Häufig müssen Sie mehrere Apotheken abklappern, um ein benötigtes Präparat zu finden, oder Sie müssen längere Wartezeiten in Kauf nehmen, bis es geliefert wird. Manchmal ist das gewünschte Medikament überhaupt nicht mehr erhältlich, weshalb man auf Alternativen zurückgreifen muss.
Dieser Mangel betrifft Patienten nicht nur gesundheitlich, sondern auch emotional. Die Ungewissheit darüber, ob wichtige Medikamente wie Insulin, Blutdrucksenker oder Antibiotika zur rechten Zeit verfügbar sind, verursacht Ängste und Stress. Die Situation ist besonders schlimm für jene, die auf spezielle, nicht einfach austauschbare Präparate angewiesen sind, wie zum Beispiel bei seltenen Erkrankungen oder individuellen Dosierungen. Ein Engpass kann hier schnell zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen.
Die grundlegend veränderten Abläufe in den Apotheken sind ebenfalls eine Folge der andauernden Engpässe. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen täglich improvisieren, anstatt auf ihre gewohnte Routine zurückzugreifen. Sie verbringen viel Zeit damit, telefonisch mit Großhändlern zu sprechen, verschiedene Lieferanten abzuklappern und nach alternativen Präparaten zu suchen. Es ist oft erforderlich, mit den behandelnden Ärzten Rücksprache zu halten, um die Verschreibung auf ein verfügbares Medikament zu ändern. Durch diesen Mehraufwand bleibt weniger Zeit, um die Kunden tatsächlich zu beraten.
Es kommt nicht selten vor, dass Apotheken Patienten vertrösten müssen – eine Situation, die beide Parteien frustriert. Es kommt vor, dass Apotheken die Betroffenen zum Arzt zurückschicken, damit dieser ein neues Rezept ausstellt. Das führt wiederum dazu, dass die Ärzte mehr arbeiten müssen, und es kann zu Verzögerungen in der Versorgung kommen. Vor allem an Wochenenden oder in Notfällen ist die Krankenhausambulanz oft die einzige Option, was das Gesundheitssystem zusätzlich belastet.
Auch die Apotheken sind von finanziellen Auswirkungen betroffen, wenn Engpässe auftreten. Sie können bestimmte Medikamente nicht mehr abgeben und verlieren dadurch Umsatz. Es sind auch die Kosten für den erhöhten Arbeitsaufwand zu berücksichtigen, wie beispielsweise bei der Recherche und Bestellung von Ersatzpräparaten. Eine Vielzahl von Apotheken berichtet von einer erheblichen Mehrbelastung, die man angesichts des bestehenden Personalmangels kaum bewältigen kann.
Schließlich leidet dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen Apotheken und ihren Kunden. Die Erwartungshaltung der Menschen ist, dass sie ihre Medikamente schnell und zuverlässig bekommen. Wenn dies immer öfter nicht klappt, gerät das gesamte Gesundheitssystem in Schwierigkeiten. Aus diesem Grund verlangen die Apotheken nicht nur kurzfristige Maßnahmen, sondern auch langfristige Reformen, um die Versorgungssicherheit in Hessen dauerhaft zu sichern.
Politische Reaktionen und Forderungen der Apothekerschaft
Die Politikerinnen und Politiker stehen immer mehr im Blickpunkt, weil die Medikamentenknappheit in Hessen und ganz Deutschland sich verschärft. Die Apothekerschaft verlangt von der Politik, dass sie entschlossen handelt, um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung zu sichern. Holger Seyfarth, der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands, übt scharfe Kritik am bisherigen Krisenmanagement; er nennt es eine "Bankrotterklärung", wenn Patienten ihre Medikamente nicht oder nur mit Verzögerung erhalten.
Die Apothekerschaft fordert vehement, das Preisdiktat bei den sogenannten Rabattverträgen zwischen Herstellern und Krankenkassen abzuschaffen. Wegen dieser Verträge gibt es für viele Wirkstoffe nur noch ein oder zwei Anbieter, die den gesamten Bedarf decken. Das spart zwar kurzfristig Geld, aber es erhöht massiv das Risiko von Engpässen. Wenn der Hersteller mit dem Zuschlag ausfällt, gibt es keine Alternativen – mit den bekannten Auswirkungen auf die Patientenversorgung. Deshalb sprechen die Apotheker für mehr Lieferantenvielfalt und eine flexiblere Vergabepraxis für Medikamente.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der geringe Handlungsspielraum, den Apotheken aktuell bei Engpässen haben. Meist dürfen sie nur sehr begrenzt auf alternative Präparate ausweichen, weil die gesetzlichen Vorgaben restriktiv sind. Aus diesem Grund verlangt die Apothekerschaft, dass Apotheken mehr Befugnisse erhalten, damit sie im Bedarfsfall schneller und ohne großen bürokratischen Aufwand auf andere Medikamente umstellen können. Dies würde die Patientenversorgung verbessern und gleichzeitig den Aufwand in den Apotheken reduzieren.
Obwohl die Politik das Problem erkannt hat, fehlen bisher konkrete Lösungen. Im Jahr 2025 haben das Bundesgesundheitsministerium und die Landesregierungen zwar unterschiedliche Maßnahmen angekündigt – wie die Einführung eines Frühwarnsystems für Lieferengpässe, die Unterstützung inländischer Produktionskapazitäten und eine Lockerung der Austauschregeln bei Apotheken. Es ist jedoch oft langwierig und stößt auf Widerstände, diese Maßnahmen innerhalb des komplexen Systems aus Herstellern, Krankenkassen und Gesetzgebern umzusetzen.
Auch die wirtschaftliche Lage der Apotheken wird thematisiert. Durch die gestiegenen Kosten und den erhöhten Aufwand empfinden viele Betriebe wirtschaftlichen Druck. Aus diesem Grund verlangen die Apothekerverbände, dass die zusätzlichen Aufgaben im Zusammenhang mit den Engpässen angemessen vergütet werden. Nur so ist es möglich, die flächendeckende Versorgung in Hessens ländlichen Gebieten langfristig zu sichern.
Es wird immer offensichtlicher, dass die Arzneimittelversorgung als Teil der Daseinsvorsorge angesehen werden sollte – ähnlich wie die Energie- oder Lebensmittelversorgung – in politischen Gesprächen. Die Apothekerschaft fordert die Landes- und Bundesregierung auf, die dringend benötigten Reformen nicht länger hinauszuschieben, sondern schnell umzusetzen, um die Versorgungssicherheit für die Menschen in Hessen zu gewährleisten.
Herausforderungen für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft
Die fortdauernden Medikamentenengpässe sind eine große Herausforderung für das gesamte Gesundheitssystem in Hessen. Die Auswirkungen sind nicht nur auf Apotheken und Patienten beschränkt, sondern betreffen alle Beteiligten im Gesundheitswesen – von Haus- und Fachärzten über Kliniken bis zu Krankenkassen und Pflegeeinrichtungen. Die Belastungen verschärfen nicht nur die bestehenden Probleme, sondern bringen auch neue Herausforderungen mit sich, die eine nachhaltige Reaktion erfordern.
Die Knappheit zwingt die Ärzteschaft immer häufiger dazu, die Medikation ihrer Patienten zu verändern. Rezeptanpassungen sind nötig: alternative Wirkstoffe müssen verschrieben, individuelle Dosierungen eventuell neu kalkuliert und alles umgeschrieben werden. Das führt zu einem erheblichen Mehraufwand und erhöht das Risiko von Medikationsfehlern, weil nicht jedes Präparat von allen gleich gut vertragen wird oder die gleiche Wirkung erzielt. Eine Umstellung kann besonders in der Behandlung von komplexen oder chronischen Erkrankungen schwerwiegende Folgen haben.
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen haben ähnliche Herausforderungen. Es liegt in ihrer Verantwortung, dass ihre Patienten rund um die Uhr mit den erforderlichen Medikamenten versorgt werden. Bei Engpässen sind Bestandsprüfungen, die Aktivierung von Notfallplänen und die Nutzung alternativer Beschaffungswege notwendig. Es gibt Situationen, in denen Zwangsrationierungen oder die Priorisierung bestimmter Patientengruppen notwendig sind. Das bringt ethische und praktische Herausforderungen für das medizinische Personal mit sich.
Selbst die Krankenkassen sind betroffen. Als Folge der Engpässe müssen häufiger kostspieligere Alternativpräparate, die nicht unter den bestehenden Rabattverträgen fallen, verordnet werden. So steigen die Kosten der Kassen und es könnte sich langfristig auf die Beiträge der Versicherten auswirken. Zur selben Zeit wächst der Druck, die Strukturen der Arzneimittelversorgung zu überdenken und möglicherweise neu zu gestalten.
Gesellschaftlich gesehen, verursacht die Unsicherheit über die Medikamentenversorgung einen Vertrauensverlust in das Gesundheitssystem. Die Menschen in Hessen erwarten, dass lebenswichtige Medikamente schnell und zuverlässig verfügbar sind. Eine Erschütterung dieses Grundvertrauens kann erhebliche Folgen nach sich ziehen – wie eine geringere Akzeptanz von Therapien, eine verstärkte Nachfrage nach Parallelimporten oder sogar eine Zunahme von Hamsterkäufen. Dies kann die Engpässe weiter verschärfen und eine Spirale der Verknappung initiieren.
In der Grippesaison 2025, wenn die Nachfrage nach Medikamenten voraussichtlich steigen wird, könnten die Folgen der Knappheit besonders deutlich werden. Es besteht die Gefahr, dass Gruppen wie Senioren, chronisch Erkrankte oder Kinder nicht ausreichend versorgt werden können. Das hessische Gesundheitssystem muss also kurzfristig Lösungen finden und langfristig die strukturellen Ursachen der Engpässe angehen.
Lösungsansätze: Stärkung der inländischen Produktion und Diversifizierung
Die immer noch bestehenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln haben die Diskussion über die Stärkung der inländischen Produktion und die Diversifizierung der Lieferketten erneut angefacht. Die Experten und Apothekerverbände sind sich einig, dass es ein entscheidender Schritt zur Sicherung der Medikamentenversorgung in Hessen und ganz Deutschland wäre, wenn man unabhängiger von außereuropäischen Herstellern werden könnte.
Ein entscheidender Ansatz ist es, Produktionskapazitäten innerhalb Europas, vor allem in Deutschland, wieder aufzubauen und zu fördern. In den letzten Jahrzehnten haben viele Unternehmen aus Kostengründen ins Ausland verlagert. Es wird nun offensichtlich, dass diese Strategie auf lange Sicht die Versorgungssicherheit gefährdet. Im Jahr 2025 hat die Bundesregierung mehrere Programme gestartet, um Wirkstoff- und Medikamentenhersteller in Deutschland anzusiedeln. Hierzu gehören finanzielle Anreize, Zuschüsse für Investitionen und die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren.
Aber die Herausforderungen sind erheblich. Um neue Produktionskapazitäten zu schaffen, sind hohe Investitionen, langwierige Planungsverfahren und die Ausbildung von qualifiziertem Personal notwendig. Außerdem müssen die Preise für Medikamente, die in Deutschland produziert werden, wettbewerbsfähig sein, damit die Krankenkassen sie erstatten. Das erfordert, dass das Vergütungssystem angepasst und die Prioritäten im Gesundheitssystem neu bewertet werden.
Eine weitere Strategie besteht darin, die Lieferquellen zu diversifizieren. Eine breitere Aufstellung der Beschaffungswege anstelle der Abhängigkeit von wenigen asiatischen Hersteller ist ratsam. Dies kann erreicht werden, indem man mit Herstellern aus anderen europäischen Länder zusammenarbeitet oder internationale Partnerschaften eingeht. Das Ziel ist es, die Abhängigkeit von einzelnen Produzenten zu minimieren und im Falle von Ausfällen schnell auf alternative Lieferanten zugreifen zu können.
Auch die Lagerbewirtschaftung ist von großer Bedeutung. Die Apotheken und Großhändler verlangen, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Minimierung der Lagerbestände abgeschafft oder zumindest gelockert werden. Mit größeren Vorräten könnten kurzfristige Lieferprobleme besser abgefedert werden. Allerdings gehen damit höhere Kosten einher, die das Gesundheitssystem tragen müsste.
Auch im Bereich der Digitalisierung und Logistik sind neue Ansätze und Lösungen gefragt. Eine Transparenz und Flexibilität der Versorgungslage könnte durch moderne Lieferkettenüberwachungssysteme, Frühwarnsysteme für Engpässe und eine bessere Vernetzung zwischen Herstellern, Apotheken und Ärzten erreicht werden.
Um diese Maßnahmen umzusetzen, ist es wichtig, dass Politik, Industrie, Apotheken und Krankenkassen eng zusammenarbeiten. Um die Versorgungssicherheit in Hessen nachhaltig zu verbessern und die wiederkehrenden Medikamentenengpässe zu überwinden, ist ein gemeinsames Vorgehen erforderlich.
Information und Prävention: Empfehlungen für Patientinnen und Patienten
Information und Prävention sind in der aktuellen Situation von entscheidender Bedeutung. Der Hessische Apothekerverband empfiehlt, dass Patientinnen und Patienten ihre Arzneimittelversorgung rechtzeitig planen und insbesondere bei einer Dauermedikation frühzeitig mit ihrem Arzt sprechen sollten. Um unnötigen Stress zu vermeiden, sollten Menschen, die regelmäßig Medikamente brauchen, ein neues Rezept nicht erst in letzter Minute einlösen, sondern idealerweise ein bis zwei Wochen Vorlauf einplanen. Apotheken haben dadurch mehr Zeit, alternative Bezugsquellen zu prüfen und Engpässe möglichst abzufedern.
Ärztinnen und Ärzte können auch durch die Ausstellung von Rezepten einen Beitrag leisten. Sie erleichtern die Versorgung, indem sie eine Alternative mitverschreiben oder der Apotheke die Möglichkeit eines Austauschs einräumen, wenn das Präparat nicht verfügbar ist. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Arztpraxen und Apotheken ist in Zeiten von Lieferengpässen wichtiger denn je.
Es ist für Patientinnen und Patienten empfehlenswert, sich regelmäßig über die aktuelle Versorgungslage zu informieren. Die meisten Apotheken haben mittlerweile digitale Services, mit denen man die Verfügbarkeit von Medikamenten prüfen kann. Wer rechtzeitig informiert ist, kann Engpässe besser einplanen und gegebenenfalls frühzeitig auf Alternativen umsteigen.
In Vorbereitung auf die Grippesaison 2025 rät der Apothekerverband zur rechtzeitigen Impfung. Da Impfstoffe meist saisonal begrenzt erhältlich sind, ist es ratsam, frühzeitig einen Arzt oder eine Apotheke aufzusuchen, um Engpässe zu vermeiden. Die Vorratshaltung von rezeptfreien Medikamenten wie Schmerzmitteln, Fiebermitteln oder Erkältungspräparaten sollte man nicht erst dann angehen, wenn man erkrankt ist.
Zur selben Zeit sprechen die Apotheken Warnungen vor Hamsterkäufen aus. Das Horten von Medikamenten in großen Mengen, auch ohne akuten Bedarf, verschärft die Engpasssituation. Deshalb bitten die Apotheken die Bevölkerung um Solidarität und Verständnis für die derzeitige Lage.
Informationskampagnen, beispielsweise von der Landesapothekerkammer oder den Krankenkassen, sind hilfreich, um Unsicherheiten zu verringern und über das richtige Verhalten bei Lieferengpässen aufzuklären. Dies umfasst Ratschläge zur richtigen Lagerung von Arzneimitteln, zur Wichtigkeit der genauen Dosierungseinhaltung und zu den Gefahren eines eigenmächtigen Medikationswechsels ohne ärztlichen Rat.
Am Ende ist es entscheidend, dass alle Beteiligten koordiniert zusammenarbeiten. Die bestmögliche Sicherstellung der Arzneimittelversorgung in Hessen, auch in schwierigen Zeiten, ist durch frühzeitige Information, vorausschauende Planung und einen verantwortungsbewussten Umgang mit Arzneimitteln möglich.
Ausblick: Strukturreformen und Zukunftsperspektiven für Hessen
Die kontinuierlichen Lieferengpässe bei Arzneimitteln haben deutlich gemacht, dass das Gesundheitssystem in Hessen und ganz Deutschland grundlegende Herausforderungen meistern muss. Die Gespräche im Jahr 2025 zeigen deutlich, dass es nicht ausreicht, kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen; es sind nachhaltige Strukturreformen notwendig, um die Versorgungssicherheit langfristig zu sichern.
Ein wichtiger Aspekt ist die Neuausrichtung der Arzneimittelvergütung sowie die Überprüfung der Rabattvertragsregelungen. Es hat sich als riskant erwiesen, den Zuschlag für ganze Wirkstoffgruppen an den günstigsten Anbieter zu vergeben. In der Zukunft wird man darüber reden, wie man mehr Anbieter einbeziehen und die Lieferverpflichtungen besser überwachen kann. Es wird auch darüber diskutiert, ob Hersteller, Großhändler und Apotheken Mindestbestände und Notfallreserven einführen sollten.
Auf Landes- und Bundesebene sind die Politiker dabei, Gesetzesvorhaben zu entwickeln, die Produktionskapazitäten nach Europa zurückverlagern wollen. Es braucht jedoch einen langen Atem, weil Investitionen, Genehmigungsverfahren und der Aufbau von Know-how Zeit erfordern. Um die kurzfristige Stabilität der Versorgungslage zu erreichen, werden gleichzeitig Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz in den Lieferketten erörtert – wie ein zentrales Register für Lieferengpässe und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren.
Die Rolle der Apotheken soll ebenfalls gestärkt werden. Die Politik nimmt zunehmend die Forderungen nach mehr Handlungsspielraum, wie zum Beispiel beim Medikamentenaustausch, auf. In mehreren Bundesländern, einschließlich Hessen, sind bereits Modellprojekte zur Erweiterung der Kompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern am Laufen. Das Ziel ist es, die Apotheken als wohnortnahe Versorgungsstützpunkte zu bewahren und zu stärken.
Die Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten. Die Lieferkette kann durch elektronische Rezepte, automatisierte Bestellsysteme und digitale Informationsplattformen effizienter und transparenter gestaltet werden. Es wird außerdem untersucht, wie man künstliche Intelligenz nutzen kann, um Engpässe vorauszusagen und die Logistik zu verbessern.
Obwohl die Herausforderungen enorm sind, beweisen die Gespräche und ersten Reformversuche in Hessen, dass ein Umdenken beginnt. Die Arzneimittelversorgung zu sichern, ist mehr denn je eine zentrale Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Man wird abwarten müssen, wie schnell die erforderlichen Anpassungen umgesetzt werden und welche Folgen sie für die Versorgungssituation in Hessen haben werden. Die Lehren aus den letzten Monaten haben auf jeden Fall gezeigt, wie entscheidend eine stabile und resiliente Infrastruktur für die Gesundheit der Bevölkerung ist.